Eröffnungsrede

von Elisabeth Müller

Herzlich willkommen zur Eröffnung einer vielleicht ungewöhnlichen, aber dafür umso aktuelleren Ausstellung. Ihr Titel „Wir und Jetzt“ klingt bruchstückhaft und verheißungsvoll zugleich.
Denn genau darum geht es: Um eine künstlerische Auseinandersetzung mit einer gesellschaftlichen Situation, die wir nur in Bruchstücken erfassen. Ausgelöst durch einen weltweit grassierenden Virus hat sich unser privates und öffentliches Miteinander in den letzten Monaten bereits stark verändert.

Alle, wie wir hier stehen, werden eine Bandbreite von Gefühlen kennen, die diese neue Situation in uns auslöst. Da sind Angst und Akzeptanz, Protest und Mitgefühl, Selbstdisziplin und Abwehr, vielleicht Ungeduld und das Ganze eingefasst in eine große Klammer und die heißt Unsicherheit. Sie ist das Hauptmerkmal unserer neuen Lage, denn wir büssen gerade viele vertraute Gewissheiten ein und sind gezwungen, uns auf dem schwankenden Terrain widersprüchlicher Informationen, wechselnder Hygienevorschriften und ungewisser Zukunftsaussichten (eine Weile) einzurichten.

Damit ist das Jetzt aus dem Titel dieser Ausstellung bereits benannt, aber es hält es viele weitere Aspekte und Tiefendimensionen für uns bereit – lassen Sie sich überraschen.

In der Ankündigung unserer Ausstellung haben wir Fragen gestellt wie diese:
Was bedeutet die Pandemie für unsere Gesellschaft?
Gibt es eine Zeit nach Corona?
Wie können wir eine Post-Corona-Welt menschlicher und nachhaltiger gestalten?
Gibt es einen Zusammenhang von Klimakrise und Coronapandemie?
Was ist wichtiger? Das Individuum oder die Gemeinschaft?
Social Distancing oder Social Cure?
Die Beiträge dieser Ausstellung erheben nicht den Anspruch Antworten darauf zu geben, vielmehr wollen sie Stimmungen aufgreifen, Ängste benennen, neue Perspektiven öffnen und vielleicht sogar weitere Fragen aufwerfen. Denn eine Frage lädt dazu ein, sich tastend vorwärts zu bewegen und selbst die Antworten zu suchen …

Daher verstehen sich die Exponate als eine Palette von Herangehensweisen ans Thema, sowohl vom Medium her – Zeichnungen, Malereien, Installationen, Texte – als auch von den Aspekten der „Krise“ her, der aufgegriffen werden, und nicht zu letzt mit ihrer Aussage.
Und damit sind wir beim „Wir“ aus dem Ausstellungstitel angelangt. Denn aus unserer Sicht sollte genau diese Vielfalt in der noch unbekannten Zeit nach Covid einen festen Platz einnehmen und noch mehr gefördert werden als bisher. Die Vielfalt des Ausdrucks, der Ansichten, des Umgangs mit Bedrohungen von innen und außen, etc. …

Die Vertreter und Vertreterinnen der hier vorgestellten Vielfalt sind:
Axel Gallun, ist freischaffender Künstler aus Offenbach. Er schafft Bilder, Objekte und Plastiken für den öffentlichen Raum sowie Bühnenbilder für das Theater Mimikri. Hier ist er mit mehreren Plastiken vertreten. Er will die Besucher animieren, „in seine Objekte einzusteigen und mit der Korona unseres Zentralgestirns ins unendliche Universum der Kunst einzutauchen.“
Beate Jakob lebt in Friedberg und schafft Kunst in Glas sowie Zeichnungen. Sie ist hier mit zarten Zeichnungen vertreten, die der Bewegung die größtmögliche Offenheit lassen und dem Betrachter das Zusammenspiel kleinster Punkte, Linien, Atome, Individuen vor Augen führen.

Dagmar Reichardt ist Texterin und lebt in Butzbach. Sie gießt ihre Beobachtungen und Gefühle kunstvoll in Worte. Mit ihren hier ausgestellten Haikus zeigt sie uns die Zweiseitigkeit von Begriffen, die ihr gerade in der Coronazeit begegnet sind – und nie die eine Wahrheit enthalten, kein Richtig und kein Falsch.

Elisabeth Müller ist ebenfalls in der oder besser gesagt in den Sprachen zu Hause. Als Meditationslehrerin aus Friedberg verweist sie mit ihren Texten und Gedichten in die tieferen Schichten unseres Menschseins, wo wir mit der schwankenden Ungewissheit des sich fortwährend ändernden Lebens aufgehoben sind.

Marcel Pfeffer hat 2016 den off-space Projektraum61 in Bingenheim mitgegründet. Es ist ein Ort für Ausstellungen und artist-in-residence-Projekte. In dieser Ausstellung setzt er sich mit dem Thema Ungewissheit / Nichtwissen auseinander. Seine Ölgemälde zeigen Personen und ihre unterschiedlichen Gefühlswelten im Angesicht der Krise.

Su Kyoung Yu lebt und arbeitet als freischaffende Künstlerin und Leiterin einer Kunstschule in Friedberg. Sie hat hier den dritten Raum, die Veranda, mit Malerei und Installationen gestaltet.
Ohne sie wäre diese Initiative nie zustande gekommen, denn sie hatte die Ausgangsidee, sie hat die entscheidenden Fragen aufgeworfen, mit denen wir uns hier auseinandersetzen, sie hat die Gruppe versammelt und den Bärenanteil der Organisation gestemmt. Dafür danken wir ihr sehr!

ulimy nennt sich einen Wetterauer Bub, er lebt in Friedberg und erinnert sich daran, wie die Amis samstags mit ihren getunten Käfern auf der Matschbahn am Proviantamt ihre Rennen fuhren. Heute weiß er, „dass die Erde eine Scheibe ist, der Mond auch, die Amis nie dort waren und Donald Dumm stets die Wahrheit sagt.“ Das und mehr vermittelt seine große Legoinstallation in der Ausstellung. Lassen Sie sich überraschen!

Während der Planungsphase kamen durchweg positive und erwartungsvolle Reaktionen auf das Ausstellungsthema.
Aber nicht nur das, wir haben auch viel Unterstützung bekommen. Zu nennen ist die finanzielle Hilfe durch das Bundesprogramm Demokratie Leben und das Land Hessen. Der Stadt Bad Nauheim danken wir, dass sie uns freundlicherweise die Ausstellungsräume für drei Wochen überlassen hat.

Last but not least ist der Verein JUKA zu nennen. Er stellt unsere Kunst ins rechte Licht (so ist z.B. die Rotunde nachts beleuchtet). Außerdem sorgt der Verein für die musikalische Unterhaltung heute. Freuen Sie sich mit uns auf Smart Grove Project mit Shanaka Perrera aus Sri Lanka und Ron Faust aus Bad Nauheim. Genießen sie den Sound dieser Band während der Wartezeit.
Und wie immer gab es zahlreiche weitere Helfer und Förderer, denen an dieser Stelle von Herzen gedankt sei.

Ehe Sie sich nun mitnehmen lassen in neue Erfahrungsräume durch Farben und Formen, Texte und Installationen, möchten wir sie mit dem Hygienekonzept der Galerie vertraut machen:
Es dürfen maximal zehn Besucher gleichzeitig in den Räumen sein. Mit Maske und dem bekannten Abstand.
Einer von uns wird an der Tür stehen und mitzählen. Sie sehen die Zahl der der Besucher, die jeweils eingelassen werden können, auf einer Tafel, die wir am Eingang platziert haben. Wenn Sie heute nicht dazu kommen alles in Ruhe anzugucken: Die Ausstellung läuft drei Wochen lang, also bis zum 13.9., und ist täglich geöffnet.

Außerdem möchten wir Sie auf ein besonderes Event am Vorabend der Finissage hinweisen. Am Samstag, den 12. September um 19 Uhr, gibt es im Rahmen dieser Ausstellung eine Lesung mir der Verlegerin Britta Jürgs, die uns ein paar Kostproben aus der Neuausgabe des Romans „Die Welt ist blau“ präsentieren wird. Das Ganze kostenlos und bei gutem Wetter draußen.
In den letzten Wochen haben wir alle dazugelernt und möchten Ihnen jetzt für die kommenden Stunden eine Erkenntnis daraus mitgeben: Warten und aufeinander Rücksicht nehmen Teil sind Teil der neuen Zeit.

Genießen sie den Abend mit uns.